The Tansey Miniatures Foundation

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Dame mit Amors Pfeil

Jean-Baptiste Jacques Augustin

Miniaturporträts waren üblicherweise nicht für die Augen vieler bestimmt, sondern sollten der Erinnerung an eine geliebte Person dienen und deshalb im persönlichen Bereich aufbewahrt werden. Aus diesem Grund waren auf Miniaturen Darstellungsweisen möglich, die in der großformatigen Porträtmalerei Anstoß erregt hätten. Die blondgelockte Dame, deren Porträt Augustin 1794 malte, ließ sich als eine mit Pfeil und Bogen bewaffnete Jägerin aus Dianas Gefolge vor waldiger Landschaft darstellen. Sie trägt ein sehr freizügiges, transparentes Tüllkleid, das die linke Brust unbedeckt läßt. Die Dame hält mit dem Pfeil einen Schmetterling auf ihrer Brust gefangen - eine Geste, die für den Betrachter der Miniatur offensichtlich eine Botschaft enthielt. Da diese Darstellung sehr ungewöhnlich ist, kann über ihren Sinn nur spekuliert werden.1 Diana und ihre Gefährtinnen galten als keusch und unnahbar, womit die Dargestellte wohl darauf hinweisen wollte, wie schwierig es gewesen war, sie zu erobern. Der am Pfeil gefangene Schmetterling besitzt vermutlich eine ähnliche Bedeutung wie der gefangene oder tote Vogel: Die verliebte Dame hat ihre Unschuld verloren. Der sehnsuchtsvolle Blick schließlich ergänzt die Liebesbotschaft der Miniatur. Das frontal dem Betrachter zugewandte Gesicht der Dame entspricht der Vorstellung von ungekünstelter Direktheit, die ein Bildnis nach klassischem Ideal ausstrahlen sollte, und nimmt der Darstellung alles Affektierte, das ähnliche Darstellungen im Rokoko oft besaßen.2
B.P.

1 Augustin malte nur wenige Miniaturen mit ausgeprägt erotischer Komponente. Erwähnenswert sind das Bildnis einer nackten, auf einem Leopardenfell liegenden Dame von 1790 (Wallace Collection, London) und jenes einer Leier spielenden Dame mit entblößter Brust von 1795 (Louvre, Paris). Die Pose mit aufgestütztem linken Ellenbogen ist in Augustins Damenbildnissen der 1790er Jahre keine Seltenheit.
2 Eine Studie der Miniatur befindet sich im Nachlass des Künstlers. Vgl. Pappe 2015, S. 260, Nr. 243. Sie zeigt die Dame mit unterschiedlicher Frisur.