Herr in weißem Hemd und blauer Weste
Joseph Deranton
Vor dunkeltürkisfarbenem Hintergrund und in leichter Schrägansicht malte Deranton diesen jungen Mann. Kleidung und Frisur, die den Porträtierten wenige Jahre früher als Anhänger der Revolution ausgewiesen hätten, könnten zum Zeitpunkt der Entstehung der Miniatur1 auch schon modische Attitüde der jungen Generation geworden sein. Mit dem Auftreten der Sans-culottes (ohne Kniehosen), die ihren Namen aufgrund des Tragens von langen Hosen erhielten, wurde eine an der Arbeitskleidung der Matrosen orientierte Mode zum äußeren Ausdruck politischer Gesinnung. Über langen weiten Hosen trug man ein einfaches offenes Hemd, dazu eine Weste oder eine kurze Jacke. Das Haar wurde lang und offen getragen. Mit dieser Art »ungepflegter Verwilderung«2 wollten die Revolutionäre sich bewusst gegen modische Anweisungen, wie sie die vor der Revolution geltenden Kleiderordnungen vorgaben, verwahren.
Joseph Deranton, der zu den bedeutenden französischen Miniaturisten seiner Zeit zählt, gelang hier ein Bildnis voller Lebendigkeit und Wärme. Die Darstellung der entblößten Haut an Hals und Brust sowie die Ausarbeitung des Inkarnates, das besonders betont wird durch das zurückgekämmte Haar und die - bei diesem Miniaturisten häufig zu beobachtende - starke Hervorhebung der Backenknochen geben dem Mann Kraft und Ausdrucksstärke.
J. S. O.