The Tansey Miniatures Foundation

The Tansey Miniatures Foundation

Herr in weißem Hemd und blauer Weste

Joseph Deranton

Vor dunkeltürkisfarbenem Hintergrund und in leichter Schrägansicht malte Deranton diesen jungen Mann. Kleidung und Frisur, die den Porträtierten wenige Jahre früher als Anhänger der Revolution ausgewiesen hätten, könnten zum Zeitpunkt der Entstehung der Miniatur1 auch schon modische Attitüde der jungen Generation geworden sein. Mit dem Auftreten der Sans-culottes (ohne Kniehosen), die ihren Namen aufgrund des Tragens von langen Hosen erhielten, wurde eine an der Arbeitskleidung der Matrosen orientierte Mode zum äußeren Ausdruck politischer Gesinnung. Über langen weiten Hosen trug man ein einfaches offenes Hemd, dazu eine Weste oder eine kurze Jacke. Das Haar wurde lang und offen getragen. Mit dieser Art »ungepflegter Verwilderung«2 wollten die Revolutionäre sich bewusst gegen modische Anweisungen, wie sie die vor der Revolution geltenden Kleiderordnungen vorgaben, verwahren.

Joseph Deranton, der zu den bedeutenden französischen Miniaturisten seiner Zeit zählt, gelang hier ein Bildnis voller Lebendigkeit und Wärme. Die Darstellung der entblößten Haut an Hals und Brust sowie die Ausarbeitung des Inkarnates, das besonders betont wird durch das zurückgekämmte Haar und die - bei diesem Miniaturisten häufig zu beobachtende - starke Hervorhebung der Backenknochen geben dem Mann Kraft und Ausdrucksstärke.
J. S. O.

1 Die Datierung ergibt sich aus der Bezeichnung »an 5« auf der Miniatur. Der Konvent hatte am 21. September 1792 die Abschaffung des Königtums und die Begründung der Republik, einhergehend mit einer neuen Zeitrechung, beschlossen. »An 5« bezeichnet somit das 5. Jahr der Republik (September 1796- September 1797).
2 Bringemeier 1981, S. 43.