The Tansey Miniatures Foundation

The Tansey Miniatures Foundation

Dame mit Mohrenknaben

Karl Gustav Klingstedt

Eine junge Dame in stoffreichem Kleid mit entblößter Schulter drückt einen dunkelhäutigen Knaben in dekorativer Livree an sich, um ihm mit einer langen Nadel ein Ohrloch zu stechen.1 Ihr vergnügter Blick zeigt, wie sehr sie die körperliche Nähe des Jungen genießt, der sie – erwartungsvoll oder ängstlich – anschaut.

Auf zweifache Weise berührt die dargestellte Szene den heutigen Betrachter unangenehm: Der erotische Unterton, gepaart mit dem eindeutigen Machtverhältnis zwischen der Dame und dem Jungen, offenbart das Überlegenheitsgefühl der europäischen Welt gegenüber den im Orient, in Afrika oder Amerika beheimateten »Fremden«. 

»Hofmohren«, dunkelhäutige Jungen oder junge Männer, die mit Beginn des Sklavenhandels oft als Kammerdiener oder Pagen an die Höfe Europas geholt oder verschleppt wurden, galten als exotisches Prestigeobjekt, als Statussymbol, das den Rang des Herrschenden und dessen Fernhandels- und Machtbeziehungen demonstrieren sollte. Zugleich befriedigten die häufig prächtig ausstaffierten Fremden die Lust nach Besonderem, Außergewöhnlichem, nach »Curiosem«. 

Klingstedts Miniaturen entsprachen der Vorliebe seiner Zeit für galante Sujets. Der Künstler stellte keine individuellen Menschen dar, sondern wiederholte zumeist den Typ der koketten jungen Schönen.2

J. S. O.

1 Schwarze Hofdiener waren ein beliebtes Motiv in der Malerei des 18. Jahrhunderts. Sehr oft werden sie mit auffallend großem, länglichem Ohrschmuck dargestellt, häufig einer Perle. Ich danke Kathleen Biercamp für ihre Hinweise auf zahlreiche Beispiele.

2 Vgl. weitere Werke Klingstedts in der Sammlung Tansey (Kat.-Nr. 2016-30, 2016-31, 2016-33; Pappe und Schmieglitz-Otten 2008, S. 144f.), sowie Klingstedts Werke in der Sammlung des Neuen Schlosses, Bayreuth (Bernd Pappe, Galante Miniaturen. Die Sammlung Dr. Löer im Neuen Schloss Bayreuth, Regensburg 2019, S. 92-105).