Dame mit Mohrenknaben
Karl Gustav Klingstedt
Eine junge Dame in stoffreichem Kleid mit entblößter Schulter drückt einen dunkelhäutigen Knaben in dekorativer Livree an sich, um ihm mit einer langen Nadel ein Ohrloch zu stechen.1 Ihr vergnügter Blick zeigt, wie sehr sie die körperliche Nähe des Jungen genießt, der sie – erwartungsvoll oder ängstlich – anschaut.
Auf zweifache Weise berührt die dargestellte Szene den heutigen Betrachter unangenehm: Der erotische Unterton, gepaart mit dem eindeutigen Machtverhältnis zwischen der Dame und dem Jungen, offenbart das Überlegenheitsgefühl der europäischen Welt gegenüber den im Orient, in Afrika oder Amerika beheimateten »Fremden«.
»Hofmohren«, dunkelhäutige Jungen oder junge Männer, die mit Beginn des Sklavenhandels oft als Kammerdiener oder Pagen an die Höfe Europas geholt oder verschleppt wurden, galten als exotisches Prestigeobjekt, als Statussymbol, das den Rang des Herrschenden und dessen Fernhandels- und Machtbeziehungen demonstrieren sollte. Zugleich befriedigten die häufig prächtig ausstaffierten Fremden die Lust nach Besonderem, Außergewöhnlichem, nach »Curiosem«.
Klingstedts Miniaturen entsprachen der Vorliebe seiner Zeit für galante Sujets. Der Künstler stellte keine individuellen Menschen dar, sondern wiederholte zumeist den Typ der koketten jungen Schönen.2