The Tansey Miniatures Foundation

The Tansey Miniatures Foundation

Dame in weißem Kleid mit Schleier

Barbe Edmée Chardon, geb. de Vernisy

Dieses Porträt ist eine von nur drei bisher bekannten Miniaturen der mit »Chardon« signierenden Künstlerin.1 Das mag erstaunen, denn die 1761 in Dijon geborene Barbe Edmée de Vernisy war eine Schülerin Augustins und ihre Werke zeigen eine hochentwickelte Maltechnik sowie großen künstlerischen Ausdruck.
Auch von diesem Miniaturporträt geht eine ungemein starke Wirkung auf den Betrachter aus. Eine ältere Dame in weißem Kleid sitzt auf einem Stuhl, Arme und Schulter sind von einem durchscheinenden weißen Spitzenüberkleid bedeckt. Den Kopf mit den sorgsam gelegten Locken ziert ein weißer Spitzenschleier. Einzig ein kleines Stück eines ockerfarbenen bestickten Umhangs auf ihrem rechten Arm sowie die Stuhllehne zu ihrer Linken bilden einen farblichen Kontrast.
Hier ist eine Trauernde dargestellt, wie der Schleier2 und der ernste, entrückte Gesichtsausdruck der Porträtierten unmissverständlich zeigen. Chardon vermittelte auf eindringliche Weise das Gefühl der Einsamkeit und des Verlassenseins. Sie zeigt die Dame in einem Zustand großer innerer wie äußerer Stille vor einem monochromen, olivbraunen Hintergrund, der sich zart zur Mitte hin aufhellt. Die Porträtierte er - scheint dadurch wie in einer eigenen Sphäre gefangen. Die perfekte Ausarbeitung der Details der Kleidung und das facettenreich gestaltete Gesicht, in dem sich Wärme wie trauernde Verschlossenheit zugleich ausdrücken, geben dem Modell starke plastische Realität.
J. S. O.

1 Ein um 1790 entstandenes Porträt einer jungen Frau wird im Kunsthandel bei Boris Wilnitsky, Wien, angeboten. Ein der vorliegenden Miniatur im Ausdruck vergleichbares Porträt des Jungen Claude Bénigne Paul Gouge neben einem Vogelnest befindet sich im Nationalmuseum Stockholm (Inv.-Nr. NMB 2598).
2 Bis in das 19. Jahrhundert hinein galt in manchen Gegenden Europas auch Weiß als Trauerfarbe. In Frankreich trugen einige verwitwete Frauen höherer Stände in Analogie zur Königinwitwe Weiß.