Zeit Marie Antoinettes
Miniaturen der Zeit Marie Antoinettes
Die Zeit des ausgehenden Ancien Regime war eine der glänzendsten in der Kunst der Bildnisminiatur, in stilistischer Hinsicht wie auch mit Blick auf die Herstellungstechniken. Die Künstler dieser zu persönlichem Gebrauch bestimmten Porträts ragen nicht nur durch ihre hohe Meisterschaft in der Wasserfarbenmalerei auf Elfenbein heraus, sondern auch durch ihren Einfallsreichtum in der Darstellung von Zuneigung und Liebe.
Eine Schlüsselepoche in der Miniaturmalerei
Diese Epoche Marie Antoinettes ist eine der bedeutendsten in der Geschichte der Miniaturmalerei, in stilistischer Hinsicht wie auch mit Blick auf die Herstellungstechniken. Immer mehr Menschen wollten das Bildnis ihnen nahestehender Personen im transportablen Kleinstformat besitzen. Die enorme Nachfrage führte dazu, dass viele Künstler sich in der Miniaturmalerei spezialisierten, denn sie fanden darin einen lukrativen Erwerbszweig. Sie betonten ihre künstlerische Individualität, indem sie – im Unterschied zur Zeit Ludwigs XV. – ihre Werke nun häufig signierten. Die Zahl der Miniaturen, deren Maler man kennt, nahm dadurch entscheidend zu.
Technische Perfektion
Die große Errungenschaft auf maltechnischem Gebiet stellte in Frankreich die Einführung von dünnen Elfenbeinblättern als Malgrund dar. Zwar war das Material des Elefantenstoßzahns in anderen Ländern bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert in Gebrauch, in Frankreich jedoch hatte man bis dahin auf Pergament gemalt. Es bedurfte eines Genies wie Peter Adolf Hall, der sich 1766 in Paris ansiedelte, um dem halbtransparenten, gänzlich glatten Elfenbein auch dort zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. Inv.-Nr. 10324). Die Blätter wurden auf eine Dicke von nur etwa einem halben Millimeter geschliffen und mit weißem Papier oder Silberfolie hinterlegt, um die Malfläche möglichst hell und leuchtend erscheinen zu lassen. Da die Wirkung des Malgrunds in die Malerei einbezogen wurde, erweiterten sich die gestalterischen Möglichkeiten hierdurch erheblich; die Farbe konnte deckend, transparent, feinteilig oder in breiten Pinselstrichen vermalt und mit dem „Kratzer“ strukturiert und verfeinert werden.
Gefühl!
Vergleicht man Porträts aus der Regierungszeit Ludwigs XVI. mit solchen der vorhergehenden Epoche, fallen ihre Sentimentalität und die stärkere Charakterisierung des Modells auf. Gefühl wird deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Liebe in ihren verschiedensten Facetten wird regelrecht zum Zeitvertreib, und es erstaunt deshalb wenig, wenn in der Miniaturmalerei viele Bildnisse darauf Bezug nehmen. Hier verdreht eine junge Schöne ihre Augen in Gedanken an ihren Liebsten (vgl. Inv.-Nr. 10161, mehr lesen...), dort lädt eine andere den Betrachter ein, den Fingerzeigen des Malers zu folgen, um eine geheime Liebesbotschaft zu entschlüsseln (vgl. Inv.-Nr. 10742, mehr lesen...), und manch eine zeigt ohne Scheu ihre Reize (vgl. Inv.-Nr. 10206, mehr lesen...).
Die großen Meister der europäischen Miniaturmalerei
Frankreich war im ausgehenden Ancien Régime die tonangebende Nation in Kunstfragen; man trifft in der Sammlung Tansey auf alle führenden Meister des Fachs: Augustin, Dumont, Périn, Pasquier, Rouvier, Lemoine, Mosnier, Sauvage, Le Tellier, Sicardi und Vestier, um nur einige zu nennen. Unter den ausländischen Künstlern, die in Paris zu Ruhm gelangten und deshalb oft der französischen Schule zugeordnet werden, müssen der gebürtige Italiener Campana, der Schwede Hall sowie die Schweizer Sené und Thouron genannt werden. Das Ehepaar Tansey sammelte aber nicht allein „klingende Namen“, sondern interessierte sich schon immer auch für die Werke seltener Künstler oder für Stücke unbekannter Meister, die allein durch ihre Qualität beeindrucken. Der Interessierte wird es deshalb besonders schätzen, hier Werke eines Vassal, Bazin oder Le Gay zu finden, Miniaturen von Carteaux, Bréa und Lusse betrachten zu können und auch Stücke der wenig bekannten, aber sehr begabten Maler Hallé, Pujos, Bôbe und Tassy anzutreffen.
Neben der hervorragend vertretenen französischen Schule runden Meister aus anderen Ländern das Panorama ab. Smart, Hone, Daniel, Edridge, Bogle, Hill und Vaslet stehen für die Miniaturmalerei Englands; Fabre, Soiron, Thouron, Terroux, Arlaud und Hurter repräsentieren die der Schweiz. Unter den skandinavischen Meistern treten neben dem bereits erwähnten Hall der Däne Høyer und der Schwede Lafrensen hervor.
Der Betrachter ist eingeladen, sich von den raffiniert-eleganten Schöpfungen, den verführerischen Damen und galanten Herren bezaubern zu lassen und in eine Zeit einzutauchen, die zu Recht als eine der ästhetisch anspruchsvollsten der Kunstgeschichte gilt.