Revolutionszeit
Miniaturen der Revolutionszeit 1789-1799
Während des politisch bewegten Jahrzehnts zwischen 1789 und 1799 entstanden auffallend viele Miniaturbildnisse. Gerade die unsicheren äußeren Verhältnisse weckten den Wunsch nach kleinen transportablen und persönlichen Porträts, und die starke Nachfrage nach Bildnissen ließ die Miniaturisten produktiv und ungemein erfindungsreich reagieren. Es entstanden Porträts, die lebendig und individuell Menschen in einer turbulenten Übergangszeit zeigen.
Das Erinnerungsbild eines geliebten Menschen in einer turbulenten Zeit
Die Jahre der Französischen Revolution bedeuteten in der Miniaturmalerei eine in vielerlei Hinsicht schwierige, aber auch überaus fruchtbare Zeit. Jean-Baptiste Isabey, der im Jahr des Sturms auf die Bastille erst 22 Jahre alt, während der Revolutionsjahre aber bereits der erfolgreichste Pariser Miniaturmaler war, zeichnet in seinen Lebenserinnerungen ein treffendes Bild der Lage eines Miniaturisten in dieser Zeit: »Eine neue Arbeitsmöglichkeit tat sich auf – sie entspross dem Leid der Zeit selbst. Ich machte mich auf und bot meine Dienste allen notleidenden Seelen an. Deshalb taufte ich meine neuen Werke nun Portraits de consolation [Trostbildnisse] . Hier wollte eine Mutter vor der Auswanderung in einem einzigen Medaillon die Züge ihrer geliebten Kinder vereinen, da sollte während nur einer kurzen Sitzung ein doppeltes Souvenir ausgetauscht werden. Wie oft war ich Zeuge dieses stummen Liebesgeschenks, dem eine grausame Trennung folgte! Die Abwesenheit sollte nur einen Monat dauern, sagte man. Ach, war es nicht immer ein Abschied auf ewig! Soll ich vom Sturm meiner Gefühle erzählen, wenn ein Zufall mir auf einer Exekutionsliste den Namen einer dieser bewundernswerten Köpfe vor Augen führte, von dem ich am Vortag noch die Schönheit abzubilden versuchte, und dessen empfindsame Ergebenheit, der Mut der Liebe, sich mir als unauslöschliche Erinnerung einprägten? [ ... ] Ich wurde wenig bezahlt, und nicht immer. Eine ausbleibende Rechnungsbegleichung von zwanzig Louis nahm das Ausmaß einer Katastrophe an. Am selben Abend, an dem ich diese sehnsüchtig erwartete Summe erhalten sollte, vereinbarte ich ein Treffen mit der kleinen Welt meiner Gläubiger: Ach! Ich hatte die Rechnung ohne den Schuldner gemacht; am Vortag war er ausgewandert.« (E. de Basily-Callimaki, J.-B. Isabey, sa vie, son temps, 1767–1855, suivi du catalogue de l’œuvre gravé par et d’après Isabey, Paris 1909, S. 17).
Das private Bildnis, das die Miniatur in besonderer Weise ist, hatte in den Revolutionsjahren einen sehr hohen Stellenwert. Bedenkt man, dass Trennungen von Familienangehörigen durch Auswanderung, Gefangennahme oder gar durch gewaltsamen Tod häufig hingenommen werden mussten, ist dies leicht verständlich. Das Portrait de consolation, wie Isabey es nannte, half den Trennungsschmerz zu lindern, indem es den Abwesenden im Bild vergegenwärtigte. Die große Beliebtheit des kleinformatigen Bildnisses, der Miniatur, im Vergleich zum Staffeleiporträt lässt sich dadurch erklären, dass es handlicher, verhältnismäßig rasch gemalt und in der Herstellung preisgünstiger war. Zudem waren in Miniaturen sehr intime Darstellungsweisen möglich, denn die kleinen Werke konnten mühelos von unerwünschten Blicken Dritter ferngehalten werden. Das kleine Format fand außerdem auch gut Platz im Gepäck, war man gezwungen, in Eile aufzubrechen und abzureisen.
Alle hier vorgestellten Miniaturen zeigen Porträts. Es sind aber nicht die revolutionären Führer und bekannten Persönlichkeiten der Zeit dargestellt, sondern mehrheitlich Menschen, die in einem begrenzteren Wirkungskreis gelebt haben. Das emotionale Band zwischen zwei Menschen, das häufig der Anlass zum Malen einer Porträtminiatur war, spricht aus vielen Werken und vermag auch den heutigen Betrachter noch zu berühren. Dieser Umstand ist umso spannender, als die Miniaturmalerei in der Zeit der Französischen Revolution herstellungstechnisch auf höchstem Niveau war, und sich viele Künstler von einem standesbezogenen Bildnistyp lösten, den Menschen individueller abbildeten und dessen persönliche Charakterzüge und Wesensmerkmale einzufangen versuchten.
Ein Panorama europäischer Miniaturmalerei
Frankreich hatte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in der Miniaturmalerei europaweit eine Führungsposition inne; viele Künstler reisten von weit her nach Paris, um dort die Maltechniken zu erlernen. Durch die besondere Vorliebe des Sammlerehepaars Tansey für französische Stücke sind diese in großer Zahl und mit qualitativ hervorragenden Werken repräsentiert. Augustin und Isabey waren die beiden Favoriten bei Publikum und Kunstkritik im Paris der Revolutionszeit. Sie wandten sich vom bisher verbreiteten Malstil Halls mit seinen anmutigen Gesichtern, weichen Konturen und zarten Farben ab und malten Porträts, die das Wesen des Modells möglichst echt, ungekünstelt und natürlich wiedergaben.
Werke der englischen Schule – neben der französischen die wichtigste – sind in der Sammlung Tansey nicht gerade zahlreich, denn ihre direkte, oft nüchterne Art entsprach weniger dem Geschmack des Sammlerehepaars. Die Bildnisse von Chinnery, Cosway, Grimaldi, Hone, Plimer, Miles, Scouler, Shelley und Wood, die alle zu den bedeutenden Künstlern ihrer Zeit zählen, vermögen aber dennoch einen Eindruck der englischen Miniatur der 1790er Jahre zu vermitteln.
Deutsche Miniaturisten aus dem späten 18.Jahrhundert zeigen wegen ihrer weit verstreuten Tätigkeitsorte untereinander nur wenig stilistische Verwandtschaft; viele Künstler sind überdies kaum bekannt. Umso wertvoller erscheint uns das Bemühen des Sammlerehepaars, die Werke deutscher Künstler zu erwerben. So sind in diesem Band nun neben einigen Stücken der bekannten Düsseldorfer Miniaturisten Guérard und Stroely auch solche seltener Künstler zu sehen: von dem in Berlin tätigen Taubert, dem Hannoveraner Ahrbeck und dem unter anderem in Celle arbeitenden Tielker. Selten sind auch die Werke von Ritter und Bürckmann, zweier in Deutschland geborener Künstler, die später in Holland arbeiteten.
Die Uhrenproduktion in Genf führte dazu, dass sich dort die Emailmalerei auf hohem Niveau entwickelte. Parallel zu ihr erreichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die Miniaturmalerei auf Elfenbein hohes Niveau. In dieser Auswahl stehen die Werke von Arlaud-Jurine, Bouvier, Fabre und Sené für die Westschweizer Tradition qualitätvoller Miniaturmalerei.
Unter den italienischen Künstlern ragt der aus Triest stammende und weit herumgekommene Miniaturist Domenico Bossi heraus. Historisch besonders interessant und für die Karriere Bossis aufschlussreich sind die Bildnisse von Friedrich Franz I. (Inv.-Nr. 10073, mehr lesen...) und seiner Gemahlin Luise (Inv.-Nr. 10072, mehr lesen...).
Möge Betrachter all der Porträts von Menschen, die in den bewegten Jahren der Französischen Revolution gelebt haben, etwas spüren von den bewegenden Gefühlen, die häufig Anlass zum Malen einer Miniatur gegeben haben; und mögen diejenigen seinen Respekt gewinnen, die unter oft schwierigen Lebensumständen mit ihrem Talent, aber auch mit viel Fleiß, Ausdauer und oft auf Kosten ihrer Gesundheit diese faszinierende »Welt im Kleinen« schufen.