Rokoko
Miniaturen des Rokoko
Die Bildnisminiatur des Rokoko ist eine elegante Inszenierung, in der Anmut und Zartheit dominieren. Die individuellen Gesichtszüge treten neben der Darstellung eines schönen Ideals, neben kostbaren Kleidern und theatralischen Kulissen zurück. Manches Porträt enthält eine versteckte Botschaft für den Adressaten der Miniatur. In den Damenbildnissen wird kokettiert, mit Fächern, Masken und Schleiern raffiniert ver- und enthüllt. Hier zeigen sich Damen inmitten von realem oder erträumtem Luxus, dort fliehen sie in eine imaginäre Welt, in der sie sich als Schäferinnen, Musikantinnen oder Göttinnen verkleiden.
Das Rokoko – eine in der Miniaturmalerei bisher wenig beachtete Epoche
Die Miniaturmalerei des Rokoko ist durch ihr Raffinement und ihre eigenwillige Prägung eine überaus faszinierende Kunst. Dennoch ist sie nur wenig bekannt. Dies liegt zum einen daran, dass man durch die vielen unsignierten Werke nur wenige der in dieser Zeit tätigen Künstler kennt, zum anderen aber auch daran, dass in der Literatur keine Übersichtswerke darüber existieren. Das Rokoko lässt sich zeitlich nicht genau festlegen, dauerte aber ungefähr von 1710 bis 1775, was nahezu der Lebenszeit König Ludwigs XV. von Frankreich entspricht.
Eleganz, Grazie und Raffinement
Der Kontrast zwischen der Rokokominiatur und Miniaturen aus der Revolutionszeit könnte kaum größer sein. In den Revolutionsjahren wurde das nüchterne, naturalistische Porträt eines Menschen geschätzt, im Rokoko hingegen ist das Bildnis in erster Linie eine elegante Inszenierung, in der Anmut und Zartheit dominieren. Die individuellen Gesichtszüge treten neben der Darstellung eines schönen Ideals, neben kostbaren Kleidern und theatralischen Kulissen zurück. Die Komposition hat einerseits den Regeln der Ausgeglichenheit zu gehorchen, darf anderseits aber nicht langweilen. Häufig trifft man in den Porträts deshalb spannungsreiche Wendungen von Körper, Kopf und Blickrichtung. Große Aufmerksamkeit wird auch einer raffinierten Farbharmonie geschenkt.
Das Bildnis ist selten nur Abbild einer Person; häufig geben Details Hinweise auf Stand oder Fähigkeiten des Modells. Besonders reizvoll sind Bildnisse, die versteckte Botschaften für den Adressaten der Miniatur enthalten. Während Herren im Miniaturbild mit Vorliebe auf ihre militärischen Verdienste hinweisen, treten in Damenbildnissen Gefühl und Verführungskunst in den Vordergrund. Die Schönen stellen zwar ihre Reize oft recht unverhüllt zur Schau, gesellen dazu aber, um den Reiz noch zu erhöhen, eine Aura von keuscher Zurückhaltung (vgl. Inv.-Nr. 10456). Mit Schönheit wird kokettiert, mit Fächern, Masken und Schleiern raffiniert ver- und enthüllt.
Da zeigen sich Damen inmitten von realem oder erträumtem Luxus, dort fliehen sie in eine imaginäre Welt, in der sie sich als Schäferinnen, Musikantinnen oder Göttinnen verkleiden (vgl. Inv.-Nr. 10163, mehr lesen....). Der Maler hatte wallende Textilteile und Blumengirlanden hinzuzufügen und idyllische Parkkulissen zu gestalten, damit die Modelle im Bild ihrer Alltagswelt enthoben erschienen.
Koryphäen der europäischen Miniaturmalerei
Eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der Miniaturmalerei des Rokoko war Rosalba Carriera. Gerade in Deutschland fand die Venezianerin künstlerische Nachfolge, was daran lag, dass einige deutsche Fürsten zu ihren begeisterten Kunden zählten. Ein anderer Künstler, der bereits im frühen 18. Jahrhundert mit galanten Szenen hervortrat, war der Schwede Carl Gustav Klingstedt. Im Oeuvre Massés sind seine Familienminiaturen von besonderer Bedeutung. Da der Pariser Künstler seine Miniaturen nie signierte, kommt diesen eine besonders wichtige Position zu (Inv.-Nr. 10526, mehr lesen...., Inv.-Nr. 11141, mehr lesen....).
Zu den wenigen Künstlern, die in Frankreich im Rokoko einige ihrer Werke signierten, gehören Courtois, Gauthier, Lefèvre, Marolles, Serre, Sompsois, Van Wyck und Welper. Sie alle sind mit bezeichneten Miniaturen in der Sammlung Tansey vertreten. Eines der Meisterwerke der Sammlung wurde von Adélaide Labille Guyard gemalt. Es ist ihr Selbstbildnis, das die Künstlerin 1774 an der Ausstellung der Akademie Saint Luc in Paris zeigte (Inv.-Nr. 10418, mehr lesen....).
Da signierte Miniaturen von deutschen Künstlern ebenso selten sind wie in Frankreich, wird es Miniaturenliebhaber umso mehr schätzen, die gesicherten Werke von Abel, Langefeldt, Linn und Sperling studieren zu können. Die Maler Baumeister, Desmarées, Fiedler, König und Nilson sind mit unsignierten Bildnissen vertreten. Eine der interessantesten Darstellungen wurde von einem deutschen Künstler gemalt: das schwierig deutbare Gruppenbild einer Dame mit zwei Herren von Linn (Inv.-Nr. 10962 mehr lesen....).
In Dänemark war die Miniaturmalerei im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts sehr beliebt, und viele Künstler spezialisierten sich darin. Mit den Werken von Foltmar, Høyer, Pilo, Pohle und Stein besitzt die Sammlung Tansey einige wichtige Stücke dieser Schule. Besonders berührt das melancholisch verhaltene Porträt des jungen Königs Christian VII., ein Meisterwerk Theodor Friedrich Steins (Inv.-Nr. 11095, mehr lesen....).
Englische Miniaturmaler beschränkten sich üblicherweise auf die Darstellung der Büste des Modells und malten sie vor monochromem Hintergrund. Die Nüchternheit dieser Werke entsprach nicht dem Geschmack des Ehepaares Tansey, und folglich sind englische Miniaturen in ihrer Sammlung eher selten. Einige Werke bedeutender Künstler können hier aber dennoch studiert werden. Sie wurden von Bogle, Hone, den Brüdern Lens, Meyer, Smart und Zincke gemalt.
In den Miniaturporträts des Rokoko wird eine vergangene Welt wieder lebendig. Es ist zum einen die Welt, in der die Dargestellten tatsächlich lebten, zum anderen aber – und in erster Linie – eine ideale, der Phantasie entsprossene Welt, die ihren Wunschvorstellungen entsprach. Die Künstler entwarfen sie mit einem Sinn für Formvollendung und Verführung des Auges, wie sie auf diese Weise in späterer Zeit nicht mehr anzutreffen sind. Der Betrachter ist eingeladen, sich von diesen Bildern, diesen phantastischen Inszenierungen verführen zu lassen.